Text: Aline Müller          Foto: Daniel Elke

Ein einfaches Wort, und doch steckt viel dahinter: Losgelassenheit ist die Basis für erfolgreiches Reiten. Gleichzeitig ist sie unabdingbar, um das Pferd gesund zu erhalten. Warum man von innerer und äußerer Losgelassenheit spricht und was der Sitz des Reiters damit zu tun hat, erklärt Michael Putz.

Die Arbeitsfreude eines Pferdes ist zu einem hohen Prozentsatz von der Harmonie des Körpers abhängig. Das körperliche Gleichgewicht bedingt sehr wesentlich das seelische“, schreibt Kurt Albrecht in seinem Buch „Meilensteine auf dem Weg zur hohen Schule“. Umgekehrt wirkt sich die Psyche auch auf den Körper aus. Hinzu kommt, dass sich Reiter und Pferd in ihrer jeweiligen Verfassung beeinflussen. Das Thema Losgelassenheit darf also nicht einseitig betrachtet werden. Wer sich jedoch mit den Zusammenhängen und Wechselwirkungen auseinandersetzt, der wird ein neues Verständnis für die Ausbildung seines Pferdes gewinnen. Dabei ist die Losgelassenheit nicht nur vom Reiten abhängig. Auch Faktoren wie Zucht, Haltung, Fütterung oder der Umgang mit dem Pferd spielen eine entscheidende Rolle.

Die innere und äußere Losgelassenheit

Laut FN ist die Losgelassenheit der zweite Punkt der Ausbildungsskala. Sie wird als „unverkrampftes An- und Entspannen der Muskulatur bei innerer Gelassenheit“ beschrieben. Hier wird der Bezug zwischen Körper und Psyche deutlich. Gleichsam ist die Losgelassenheit die Basis für die Durchlässigkeit des Pferdes und zudem das Ergebnis daraus. Nur ein losgelassenes Pferd kann seine Muskeln unverkrampft an- und abspannen sowie eine positive Körperspannung erreichen. „Losgelassenheit bezieht sich sowohl auf den physischen als auch auf den psychischen Zustand des Pferdes“, schreibt der Ausbilder und Turnierrichter Michael Putz in seinem Buch „Richtig Reiten – eine Herausforderung“. Was den körperlichen (äußeren) Aspekt anbelangt, werde darunter der möglichst ökonomische Gebrauch des gesamten Bewegungsapparates ohne Verspannungen und Verkrampfungen verstanden, wobei der Rücken stets als zentraler Bereich gelten müsse. „Als innerlich losgelassen wird ein Pferd bezeichnet, welches bei aller Gehfreude gelassen und konzentriert bei seiner Aufgabe ist. Beides zusammen bildet die Voraussetzung für optimale Leistungsfähigkeit“, so Michael Putz. Zugleich würden dadurch aber auch erst gewisse Ausbildungsfortschritte ermöglicht, zum Beispiel solche, die mit Muskelaufbau und Lernen verbunden seien.

Umgang und soziales Umfeld

Die innere (mentale) und die äußere (körperliche) Befindlichkeit sind also voneinander abhängig. Ein körperlich verspanntes Pferd wird sich auch innerlich festhalten. Zu einer innerlichen Losgelassenheit kommt das Pferd unter anderem über eine artgerechte Haltung mit genügend sozialen Kontakten, viel frischer Luft und der Möglichkeit, sich ausreichend (frei) zu bewegen. Auch eine gute Fütterung, ein angemessenes Training und körperliche sowie mentale Auslastung ohne Überforderung oder Stress sind wichtig. Der Reiter sollte die nötige Gelassenheit, Ruhe, Sicherheit und Souveränität ausstrahlen. Für das Pferd muss seine Position in der Verbindung Mensch-Pferd klar definiert sein. Unter diesen Umständen ist es in der Lage, sich mental zu entspannen. Die äußere, körperliche Losgelassenheit steht in direkter Verbindung zur inneren, psychischen. Viele Reiter denken, dass diese allein vom Reiten abhänge. Dabei wird sie jedoch auch von Faktoren wie einem korrekt sitzenden Sattel, korrekt gestellten Hufen, Schmerzfreiheit und dem Sitz des Reiters sowie dessen Einwirkung beeinflusst.

Täglich grüßt das Murmeltier

„Das Pferd zur Losgelassenheit zu bringen ist eine Grundforderung der täglichen Arbeit, unabhängig vom Ausbildungsstand“, betont Michael Putz. Dabei mache es auch keinen Unterschied, ob es sich um ein Freizeit- oder Sportpferd handle. Die Losgelassenheit spielt nicht nur während des Lösens, Abreitens oder während der Erholungsphase am Ende der Trainingseinheit eine Rolle. Vielmehr müsse auch während der Arbeitsphase ständig auf einen Wechsel der Intensität und auf ein wiederholtes Abspannen und entspanntes Durchatmen geachtet werden. „Selbst in den Phasen der größten Belastung darf aus positiver Spannung nicht Verspannung werden, weil sonst Kraft und Konzentrationsfähigkeit sehr schnell erschöpft sind“, sagt unser Experte und gibt zu bedenken: „Ohne Losgelassenheit von Pferd und Reiter ist ein harmonisches Miteinander nicht möglich.“ Vertrauen ist dabei ein Schlüsselwort, denn nur wenn das Pferd dem Reiter vertraut, wird es sich auch unter dem Sattel zufrieden und innerlich spannungsfrei bewegen. Häufig wird unterschätzt, wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, lösende Arbeit zielgerichtet und effektiv zu gestalten. Für Michael Putz ist es daher eine Selbstverständlichkeit, seine Schüler mit ihren Pferden bereits beim Lösen zu begleiten. Ausnahmen macht der erfahrene Trainer nur, wenn er Reiter und Pferd gut kennt und sicher sein kann, dass das Abreiten schon ziemlich optimal gelingt.

Probleme durch Lösen lösen

„Für viele, gerade auch grundsätzliche Probleme, wie mangelnde Gehfreude oder Übereifer, ist die Ursache in ungenügendem, ungeschicktem oder falsch verstandenem Lösen zu suchen“, so unser Experte. Schon so mancher „triebige Faulpelz“ sei zum gehfreudigen Musterschüler und mancher „heiße Ofen“ zum gut zu regulierenden Reitpferd geworden, wenn die lösende Arbeit verbessert und individuell richtig angepasst wurde. In beiden Fällen gehe es häufig hauptsächlich darum, das Pferd zum Hergeben des Rückens zu bringen. „Je nach Temperament und Veranlagung geht das eine nicht vorwärts, während das andere davoneilt, ja regelrecht auf der Flucht ist, wenn es sich im Rücken nicht wohlfühlt“, betont Michael Putz. In keinem Fall kann Losgelassenheit durch Zwang erreicht werden. Wer sich also unter Stress schnell mal in den Sattel schwingt und erwartet, dass das Pferd in kürzester Zeit den Rücken hergibt, der wird keinen positiven Effekt erzielen, sondern bestehende Probleme nur verschlimmern und im schlimmsten Fall das Vertrauen des Vierbeiners aufs Spiel setzen. Leider gibt es immer noch Reiter, die ihre Pferde durch unsensible, starke Einwirkung und andere Zwangsmaßnahmen dazu bringen, lediglich zu funktionieren. Doch unter diesen Umständen kann kein Vierbeiner im Rücken schwingen und sein volles Bewegungspotenzial entwickeln. Vielmehr wird das Pferd auf Dauer gesundheitlichen Schaden nehmen, wenn die Losgelassenheit in der Ausbildung missachtet wird.

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