Text: Aline Müller        Foto: www.slawik.com

Pferde sind hochsensible Wesen. Sie reagieren sowohl auf die bewussten als auch auf die unbewussten Anteile des Reiters und spiegeln unter anderem dessen Stimmungen sowie Dysbalancen in ihrem Verhalten. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Gedanken und Gefühle.

Anmutig bewegt sich ein Tanzpaar durch den Raum. Im Takt, in Balance, losgelassen und doch mit einer gewissen Körperspannung. Im Zusammenspiel zweier Individuen sind Ursache und Wirkung, Aktion und Reaktion eng miteinander verbunden. Diese Wechselwirkungen sind für die Harmonie und Ausstrahlung des jeweiligen Paares entscheidend. Das gilt auch für Reiter und Pferd. Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise unerlässlich: Körper und Geist lassen sich nicht trennen. Weder bei uns noch bei unseren Vierbeinern. Neben der körperlichen beeinflusst also auch die gedankliche oder emotionale Ebene das Pferd. „Ein gutes Gefühl für die Bewegungsabläufe ist daher eng gekoppelt mit der Empfindung von Emotionen, die im Ausdruck und der Ausstrahlung des jeweiligen Reiter-Pferd-Paares zu erkennen sind, wie auch bei Tanzpaaren“, sagt die Ausbilderin und Expertin für Körpersprache Brigitte Lenz.

Keine Geheimnisse

„Menschliche und reiterliche Widersprüchlichkeiten sowie Dysbalancen zeigen Pferde uns klar und direkt, auch wenn wir uns womöglich für besonders bestimmt und überlegen halten“, erläutert unsere Expertin. Wir können vor unserem Pferd nichts verheimlichen. Die unterschiedlichen Emotionen lassen sich nicht nur am Reiter, sondern eben auch am Pferd ablesen. Ein vorher noch unharmonischer Gang oder Verspannungen können sich plötzlich lösen, wenn ein positiv gestimmter, losgelassen in Balance sitzender Reiter mit angemessener Energie und Motivation in den Sattel steigt. „Ein harmonisch entwickeltes Bewegungsgefühl kann nicht durch ständiges Denken und Kontrollieren erzielt werden, sondern nur durch das Einfühlen in die Bewegung“, betont Lenz. Denken Sie noch einmal an das Tanzpaar: Die Bewegungen fließen einfach durch den Körper. Die Beteiligten denken nicht über Körper-, Arm- oder Beinkoordination nach. Wenn der Mensch mit dem Pferd eine Einheit bildet, kann aus Technik Kunst werden.

Selbsterfahrung mit dem Pferd

Durch Pferde werden wir auf verschiedenste Weise berührt und mit uns selbst in Kontakt gebracht. Über das bloße Reiten hinaus bieten sich so besondere Möglichkeiten der Selbsterfahrung. „Das Pferd kann die Seele des Menschen berühren“, sagt Brigitte Lenz, „es spiegelt die Seelenlandschaft des Reiters wider. Seine Stärken und inneren Kraftquellen, aber auch seine Schwächen und ungeliebten Anteile, die ins Unterbewusstsein verdrängt wurden und die ihn daran hindern, die Persönlichkeit zu sein, die er sein könnte.“ Pferde sind sogar so sensibel, dass sie jede kleinste Emotion und Absicht durch den körpersprachlichen Ausdruck des Reiters wahrnehmen. „Der Umgang mit dem Pferd und insbesondere das Reiten bieten somit auf jeden Einzelnen zugeschnittene Lern- beziehungsweise Weiterentwicklungsmöglichkeiten“, erläutert die Ausbilderin. Jeder steht im Leben vor individuellen Herausforderungen, und jeder hat bestimmte Themen, die gerade präsent sind. Oftmals rauben Stress, Hektik oder andere Probleme einem regelrecht die Energie, und der Alltag führt immer mehr zu einem Auseinanderdriften von Körper und Geist. „Ein authentischer, selbstbestimmter und von Sinn erfüllter Umgang mit dem Partner Pferd lässt blockierte Lebensenergien wieder frei fließen und führt zu mehr Selbstwert, Freude, Glück, Erfüllung und Erfolg“, betont unsere Expertin.

Ein spannender Weg

Im Laufe des Lebens bilden wir uns eineMeinung – von uns selbst, von unseren Mitmenschen und von der Welt. Wir entwickeln gewisse Bewältigungsstrategien und verfallen doch immer wieder in alte Muster. Unserer individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen sind wir uns nicht immer bewusst. Gemeinsam mit dem Pferd ist es möglich, wieder einen Zugang zum eigenen Innen leben zu finden. Es ist ein interessanter Prozess voller Höhen und Tiefen und ein spannender Weg der Selbstfindung und Selbstwerdung. „Das Pferd kann, wenn Sie sich darauf einlassen, Einblicke in Ihnen nicht bewusste Unklarheiten und verdeckte hinderliche Überzeugungen geben“, sagt Brigitte Lenz. Indem Sie Ihre feine Wahrnehmung schulen und ein neues Gefühl für sich selbst entwickeln, sich also wieder fühlen lernen, beginnt der Prozess des leichter, Verhaltensalternativen zu sehen und umzusetzen oder verborgene Potenziale aufzuspüren und zu entfalten. „Nachhaltige Veränderungen und Weiterentwicklung finden am ehesten dann statt, wenn das jeweilige Verhalten auf vielen inneren und äußeren Ebenen erlebt werden kann – wie beim Reiten“, so die Expertin.

…den kompletten Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 9/2019.