Interview: Nicole Audrit    Foto: Ilja van de Kasteele

Die Parade – dieser Begriff ist in aller Munde und bleibt für einige dennoch ein großes Rätsel. Pferdetrainer Marius Schneider erklärt, wie eine Parade funktioniert und warum sie der Schlüssel zum Erfolg beim Reiten ist. Die Parade ist das Zusammenspiel aller Reiterhilfen, auch wenn sie teilweise fälschlicherweise immer noch auf die Zügelhilfen reduziert wird. Die halbe Parade beispielsweise ist allgegenwärtig: beim Antraben, Abfangen, Versammeln oder beim Schulterherein.

Was ist eine Parade, und woraus besteht sie?

Eine Parade setzt ein optimales Zusammenspiel von Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen voraus, sowohl in der Dosierung als auch in der zeitlichen Abstimmung der jeweiligen Hilfen. Jedoch reicht das alleinige Wissen dieser Definition nicht aus und bringt den lernenden Reiter nicht unbedingt voran.

Worin unterscheiden sich halbe und ganze Paraden?

Halbe Paraden sollen wie ein Gedankenblitz sein und in ihrer ­Wirkung das Pferd leichter und beschwingter machen. Einerseits soll die halbe Parade den Takt und die Haltung des Pferdes während des Ganges verbessern, einem unkontrolliertem Eilen und somit Drücken gegen die Hand vorbeugen und bei der Einleitung verschiedener Lektionen behilflich sein. Andererseits hat sie den Zweck, das Tempo zu verkürzen oder den Wechsel der Gangart einzuleiten. Im Gesamten können und sollen halbe Paraden zur Verbesserung der Losgelassenheit beitragen. Die ganze Parade hingegen führt immer zum Halten. Wichtig dabei ist, dass die ganze Parade das Pferd auf der Stelle führt, jedoch nicht zwangsläufig die Beweglichkeit im Körper des ­Pferdes stoppt. Eine ganze Parade bedeutet also nicht, dass auch die Bewegung im Pferdekörper endet. Das beste Beispiel hierfür ist die Piaffe: Bei der Piaffe wird das Pferd zwar im Trab auf der Stelle zurückgenommen, es bewegt sich aber weiterhin mit einem ­Vorwärtsimpuls. Stellt man nun einen Vergleich an, so wird klar, dass die ganze Parade zum Anhalten führt und die halbe Parade innerhalb der Vorwärtsbewegung stattfindet und somit Bewegung für die Ausführung benötigt. Die halbe Parade bewirkt ein kaum sichtbares Verzögern der Bewegung, ohne dabei den Bewegungsfluss des Pferdes zu stören. Dies befähigt den Reiter, den Hinterfuß, der sich im Moment der Parade in der Luft befindet, zu weiterem Vorgriff aufzufordern, um damit die Hinterbeine vermehrt unter den Schwerpunkt zu bringen. Da hierbei der ideale Zeitpunkt für die Parade abgepasst werden muss, hängt der angestrebte Erfolg einer Parade maßgeblich vom Ausbildungsstand und der Fähigkeit des Reiters ab. Dieser muss erkennen können, wann und wie er die jeweilige Hilfe einsetzt und dosiert, um zum gewünschten Ziel – zu einem „Durchkommen“ – zu gelangen. Ansonsten sind Fehler vorprogrammiert. Natürlich richtet sich die Wirksamkeit der Parade auch nach der Durchlässigkeit des Pferdes. Bei einer halben Parade gilt es abzumessen, inwieweit die treibenden Hilfen – Schenkel- und Gewichtshilfe – über den verhaltenden Zügeleinwirkungen stehen. Es muss klar sein, dass Schenkel und Gewicht fordern und ein Signal an die Hand weiterleiten. Diese Weiterleitung kann nur gesichert sein, wenn die Hinterhand tatsächlich zum Untertreten aufgefordert wurde und der Hand somit eine Botschaft übersenden kann. Denn die Aktivität der Hinterbeine wird durch die Schwingungen des Rückens bis in die Hand des Reiters geleitet. Von dort aus kann er dann Einfluss auf die jeweilige Situation nehmen. Der Reiter muss zunächst das Verständnis für ein korrektes Zusammenwirken der Hilfen ent­wickeln, indem theoretisches Wissen in praktische Übungen um­gesetzt und dadurch das Reitergefühl gefördert wird.

Die Wirkweise der halben und ganzen Parade unterscheidet sich stark. Gibt es noch weitere Paraden?

Da sich die Wirkung von halben und ganzen Paraden stark unterscheidet, kann die Vorstellung einer Unterteilung in kleinere ­Paraden helfen: Zum einen in Dreiviertelparaden, die ein sichtbares Zögern auslösen, also das Pferd langsamer machen. Zum anderen in Viertel- und Achtelparaden, die ein besseres ­Hineinfühlen in das Pferd ermöglichen. Die Viertelparade dient unter anderem der Korrektur der Wirbelreihe – unter anderem auch dem Geraderichten –, damit diese offen für die halben und ganzen Paraden wird. Diese Feinheiten sind sehr wichtig, um Fehler zu vermeiden: Beispielsweise kann eine falsch gegebene Parade die Hinterhand eher zum Ausfallen oder Rückwärts-­Heraustreten bringen. Zum Schluss sollte auch die sogenannte Schulparade nicht unerwähnt bleiben, die von vielen großen ­Reitmeistern des vergangenen Jahrhunderts genutzt wurde und bis heute hochaktuell ist. Sie ist eine Aufforderung an das Pferd, sich in den Hanken vermehrt zu beugen: Das Pferd soll sich in den Bereichen Lende, Hüfte, Knie- und Sprunggelenk beugen und so vermehrt setzen. Dadurch wird ein Heben des Brustkorbs veranlasst, und die Nachhand kann sich mehr in Richtung Brustkorb senken. Das Pferd wird so in die Lage versetzt, sich und ­seinen Reiter besser zu tragen.  

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