Text: Inga Dora Schwarzer        Foto: www.Slawik.com

Warum ist mein Pferd so triebig? Vor allem in der Halle und auf dem Reitplatz stellen sich viele Reiter diese Frage. Obwohl sie ihre Schenkel einsetzen, geht der Vierbeiner nicht vorwärts. Wie es zum Verlust der Bewegungsfreude kommt und was Sie dagegen tun können, erklärt Ausbilderin Renate Maria Hess

Probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit“, singt Balu, der Bär, im Disney-Film „Das Dschungelbuch“. Das nehmen einige Pferde wörtlich. Sie schleichen Runde um Runde und ziehen mit ihren Hinterbeinen Furchen in den Hallensand, während ihre Reiter im Sattel alles versuchen, um sie voran zu bekommen. Reicht der Schenkelimpuls nicht aus, rüsten sie auf. Sporen und Gerte sollen es richten. Doch auch sie führen meist nicht zum Erfolg. Dabei haben die Vierbeiner von Natur aus doch einen großen Bewegungsbedarf. Was also ist schiefgelaufen, wenn das Lauftier Pferd keine Lust mehr hat zu laufen?

Gesundheitscheck fürs Pferd

„Wenn Pferde keinen Vorwärtsdrang mehr zeigen, schaue ich erst ein- mal, woran das liegen könnte. Wo ist die Ursache? An erster Stelle steht der gesundheitliche Check durch den Tierarzt. Sind beispielsweise Schäden an den Knochen vorhanden, können sich Pferde, auch wenn sie wollten, nicht gut bewegen. Gleiches gilt für muskuläre Probleme oder falsch bearbeitete Hufe“, sagt Renate Maria Hess, Pferdewirtin FN Klassische Reitausbildung, Trainerin A – Leistungssport und Physiotherapeutin für Pferde aus dem baden-württembergischen Lahr.
Dann stehen Fütterung und Haltungsform auf dem Prüfstand. Schlechtes oder falsch ausgewähltes Futter führen zu Problemen im Verdauungstrakt. „Magengeschwüre, aber auch Vitamin- oder Mineralstoffmangel können genauso wie Stress in der Herde Auslöser für den Verlust ihrer Bewegungsfreude sein“, weiß die Ausbilderin. Wenn sie dauerhaft in der Gesellschaft von Artgenossen gemobbt werden, nicht in Ruhe fressen oder schlafen dürfen, sind sie psychisch nicht in der Lage, im Training die gewünschte Bewegungsfreude zu zeigen.
„Mangelnde Gehlust kann daher mentale Ursachen haben und somit das Interieur betreffen“, gibt sie zu bedenken.

Sind diese „Baustellen“ behoben, folgt die Kontrolle des Equipments. Nur ein gut sitzender Sattel und Gurt erlauben es den Tieren, ihre Bewegungen unter dem Reiter schmerzfrei auszuführen. „Wenn ich als Bayer auf die Zugspitze wandere, habe ich ja auch ein gescheites Schuhwerk an und keine Flip-Flops.“ Ansonsten wäre es nur eine Frage der Zeit, wann ich nicht mehr laufen wollen würde“, argumentiert Hess. Ferner sollte die Trense nicht zu eng verschnallt sein, um eine Blockade des Kiefergelenks zu verhindern. Werden Pferde an der Kaubewegung gehindert, wäre das so, als ob wir ständig unsere Zähne zusammenbeißen würden. Damit stellen wir Kiefer und Genick fest. Es folgen Nackenschmerzen. Und wenn wir Nackenschmerzen haben, dann bewegen wir den Rest unseres Körpers auch nur ungern. Das sei bei den Vierbeinern nicht anders, sagt die Ausbilderin.

Reiten im Hamsterkäfig

Die Trainingsumgebung kann ebenfalls ursächlich für das Problem der Triebigkeit sein. „Wenn man mal versucht, sich in die Pferde hineinzufühlen, muss ihnen eine 20×40-Meter-Halle wie ein Hamsterkäfig oder Schuhkarton vorkommen: Sie laufen alle paar Meter auf eine geschlossene Wand zu. Das wirkt bremsend. Und dann sind da noch die Ecken. Sie bedeuten, v. a. für junge und unausbalancierte Pferde, einen Gleichgewichtsverlust. Haben sie ihre Balance nach der ersten Ecke wieder gefunden, folgt gleich die nächste“, erläutert die Ausbilderin. Das ist nicht einfach für die Tiere. Durch den engen, begrenzten Raum wird ihnen schnell die Bewegungsfreude genommen.

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