Text: Nicole Audrit | Foto: Daniel Elke

Ein Sprichwort besagt: „Ein guter Reiter stürzt sieben Mal vom Pferd.“ Um dabei schlimmere Verletzungen möglichst zu vermeiden, wird im Fallkurs von Wiltrud Heine die richtige Abrolltechnik geübt. Positive Erlebnisse beim Fallen tragen zur Angstbewältigung bei.

Reitsport ist ein gefährliches Hobby: Pferde sind Fluchttiere, die sich teilweise schon aufgrund kleinerer Dinge – beispielsweise einer Plastiktüte im Gebüsch – erschrecken können. Die Partnerschaft mit einem 600 Kilogramm schweren Tier kann daher körperliche Spuren und Blessuren beim Menschen hinterlassen. Sowohl Reitanfänger als auch Profireiter stürzen vom Pferd, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Anfänger infolge fehlendem Könnens und dadurch fehlender Balance, Profis aufgrund höherer Anforderungen oder junger, schwieriger Pferde. Der Großteil der Stürze im Reitsport verläuft harmlos. Passiert jedoch etwas, sind die Verletzungen oft gravierend. Besonders häufig erleiden Reiter Verletzungen der Arme und Beine, beispielsweise Prellungen oder Knochenbrüche, sowie Kopf- und Wirbelsäulentraumata.

Niemand fällt gerne vom Pferd, und selbst wenn größere Verletzungen ausbleiben, bleibt ein kleiner Schock zurück. Nach einer alten Theorie muss der Reiter nach einem Sturz sofort wieder in den Sattel steigen, da ansonsten die Angst bleibt. Aber was ist, wenn sich die Angst trotz allem im Kopf festsetzt? Und das mulmige Gefühl bei jedem weiterem Galopp im Gelände schlimmer wird, bis schließlich der Spaß am Reiten vergeht? Durch ein Falltraining kann Angst abgebaut und das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt werden. Jedoch ersetzt ein Falltraining nicht die gute Ausbildung von Pferd und Reiter. Es gibt viele Auslöser für Angst oder Unsicherheit beim Reiten: Das Pferd hat in der letzten Springstunde den Oxer verweigert, der Reiter ist runtergefallen und hat sich das Handgelenk gebrochen. Oder beim letzten Ausritt ist das eigentlich ruhige Pferd durchgegangen, und man hat sich völlig hilflos im Sattel gefühlt. Nicht immer muss ein eigener, traumatisierender Sturz die Ursache für das Unwohlsein im Sattel sein. Manchmal reicht schon das Gefühl des Kontrollverlusts oder die Anwesenheit bei einem Sturz eines anderen Reiters. Hat sich die Angst erst mal in den Kopf eingeschlichen, reichen schon vergleichsweise harmlose Situationen, in denen etwas nicht hundertprozentig klappt, um Horrorszenarien im Kopf abzuspielen.

Teilweise hat man das Gefühl, dass pessimistischen Menschen mehr Schicksalsschläge widerfahren als anderen. Im Reitsport können negative Gedanken und Angst zu einem entscheidenden Risikofaktor werden. Pferde sind höchst sensible Tiere und spiegeln das Verhalten und die Gefühlswelt des Reiters wider: Verkrampft sich der Reiter, wird auch das Pferd unruhig und angespannt, und die Unfallgefahr steigt. Durch seine Anspannung signalisiert der Reiter dem Pferd, das eine Gefahrensituation besteht. Das Fluchttier stellt sich daraufhin aufs Weglaufen ein, dies kann je nach Charakter und Temperament des Pferdes in Kombination mit Buckeln, Steigen oder Scheuen geschehen. Dabei passieren häufig Stürze. Das Ziel sollte also sein, dass der Reiter auch in brenzligen Situationen entspannt bleiben kann, um den Fluchtmodus beim Pferd gar nicht erst zu aktivieren. Kommt es dennoch zu einem Sturz, kann durch korrektes Abrollen eine schlimmere Verletzung vermieden werden. Außerdem wird durch das Wissen, wie man sich korrekt abrollt, negative Gedanken minimiert.

Der Selbstversuch

In der Theorie klingt ein Fallkurs super: Ich lerne richtig zu fallen und abzurollen, sodass Verletzungen möglichst vermieden werden. Und dafür muss ich noch nicht mal ein Hochleistungssportler sein. Außerdem hilft ein solcher Kurs bei der Angstbewältigung und sorgt dafür, dass ich entspannter im Sattel sitzen kann – das klingt alles zu gut um wahr zu sein, daher habe ich mich kurzerhand selbst vom Pferd gestürzt und den Bullen geritten. Das Fazit vorweg: Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, und der Lerneffekt war enorm groß. Den Muskel­kater und die zwei kleinen blauen Flecken war es definitiv wert.

Über 1.000 entspannte Reiter

Wiltrud Heine führt seit 2002 regelmäßig Fallkurse auf der Eulenmühle durch. Dabei konnten schon weit über 1.000 Reiter zu mehr Selbstvertrauen gelangen und sich ihren Ängsten stellen. Vor dem Kurs haben die Leute häufig Bedenken, dass sie für einige der Übungen nicht sportlich genug sind und ihnen Salto und sonstige komplizierte Turnübungen abverlangt werden. Allerdings sind die Übungen von Wiltrud Heine so gestaltet, dass jeder sie problemlos absolvieren kann. Auch das Alter ist unerheblich: Teilnehmen können Kinder bereits ab acht Jahren. und nach oben gibt es keine Altersbegrenzung, solange man noch fit genug zum Reiten ist, können alle Übungen mitgemacht werden. Generell gilt laut Wiltrud Heine: „Je sportlicher und gelenkiger ein Reiter ist, desto besser. Körpergefühl, Balance und Koordination sind auf jeden Fall wichtige Eigenschaften, die ein Reiter haben sollte.“ Für den Fallkurs selbst ist keine Reiterfahrung notwendig, da die Übungen auch für eine Sturzprävention im Alltag sinnvoll sind.

Der Kurs beginnt zunächst mit einigen Laufübungen: Dabei werden die Teilnehmer jedoch nicht stupide durch die Halle geschickt, vielmehr wird auf einem Zirkel eine Abteilung gebildet, und die Reiter müssen am Boden unter anderem die Bewegungsabläufe eines Pferdes im Schritt, Trab und bei Einer-Galoppwechsel nachmachen. Dies dient der vielseitigen Aufwärmung, die an diesem kühlen Herbsttag auf jeden Fall nötig ist. Anschließend muss ein kleiner Parcours mit verschiedenen Übungen zur Gleichgewichts- und Koordinationsschulung gemeistert werden. Dabei können schon die ersten Fallübungen zwanglos auf einem Riesentrampolin ausprobiert werden. Nachdem allen Teilnehmern schon relativ warm ist und die ein oder andere Jacke schon über der Hallenbande hängt, stehen unterschiedlichste Dehnübungen, teilweise auch etwas Yoga auf dem Programm. Nach den aufwärmenden und lockernden Übungen werden die Teilnehmer an die Fall- und Abrolltechniken herangeführt.

Die nächsten Fallkurse auf der Eulenmühle finden am 15. April und 16. September 2018 statt und kosten jeweils 85 Euro.

… den gesamten Artikel zum Falltraining auf der Eulenmühle lesen Sie in der aktuellen Ausgabe.