Text: Lara Wassermann      Foto: Holger Schupp

Die „Profis“ hinter der Bande: Sie wissen alles besser, nerven die Reiter in der Halle oder auf dem Platz und machen es selbst selten besser. Was treibt sie zu so einem Verhalten? Scheint es nur so, oder ist die Reiter-Szene besonders von Lästereien und Besserwisserei betroffen?

Wohl kaum eine andere Sportart hat so viele Besserwisser und „Experten“ zu bieten wie die Reiterszene. Das glaubt man zumindest, wenn man das tägliche Treiben in den Reitställen mal live miterlebt hat. Es wird über alles und jeden gelästert, grundsätzlich machen die anderen Einstaller alles falsch, und selbst wenn sie eigentlich alles richtig machen und wahrscheinlich auch besser als der Lästerer selbst – dann ist die Schabracke, mit der das Lästerobjekt reitet, so vorbei an den aktuellen Trends, dass der Reiter nur an Geschmacksverkalkung leiden kann. Abgesehen davon ist das von ihm gerittene Pferd einfach super talentiert, und es kann definitiv nicht an dem Können der jeweiligen Reiterin liegen, dass dieser „Totilas-Sohn“ so gut läuft. Doch warum sind die Pferdefrauen (und -männer) häufig solche Lästermäuler und Besserwisser?

Charakter von Reitern

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) gab eine Studie in Auftrag, die den Charakter von Reitern als Untersuchungsgegenstand hatte. Ergebnis war, dass Reiter selbstbewusste, disziplinierte, zielstrebige und führungsstarke Persönlichkeiten sind. Das resultiert vielleicht aus daraus, dass Reiten heißt, sich durch Niederlagen zu kämpfen, Siege zu feiern und eigene Ängste Tag für Tag zu überwinden. Aufgegeben wird nicht, sondern es wird stets weitergekämpft. Dieses notwendige Verhalten prägt den Charakter des Reiters. In der Karriere sind diese Eigenschaften die Eintrittskarte für höhere Positionen. Für das Umfeld Stall bedeutet das allerdings, dass eine Reihe ähnlicher, durchsetzungsstarker Charaktere aufeinandertreffen. Hat man also 50 selbstbewusste, zielstrebige und führungsstarke Einstaller zusammen auf einem Hof, so wirkt sich das häufig negativ auf die Stimmung aus. Verglichen mit einer Pferdeherde wäre das so, als würden 50 Leithengste und -stuten zusammenstehen. Man kann sich ausmalen, dass die Machtkämpfe deutlich ausgedehnter wären als bei einer Herde mit gemischt hohen Rängen.

Die Diplom-Psychologin Anja Kraft vom Förderverein Mensch & Tier in Berlin hat zu diesem Problem eine eigene Theorie, die die Frage aufwirft, ob Reiter wirklich die erwähnten Charaktereigenschaften mitbringen: „Beim Lästern spielen vermutlich gruppendynamische Prozesse eine Rolle. Man möchte sicher sein, dass man es selbst richtig macht, und rückversichert sich somit vielleicht in der Gruppe. Wenn es so ist, dass es in der Reiterszene besonders viele Besserwisser und Lästerer gibt, so stellt sich mir die Frage, ob es sich bei Reitern wirklich um Menschen handelt, die häufig besonders selbstbewusste, disziplinierte, zielstrebige und führungsstarke Persönlichkeiten sind – oder vielleicht eher um Menschen, die diesen Persönlichkeitseigenschaften viel Wert beimessen und diese zu kultivieren wünschen.

… den kompletten Artikel finden Sie in der Ausgabe 10/2020.