Text: Aline Müller      Foto: www.Slawik.com

Eine gute dressurmäßige Ausbildung und eine regelmäßige Gymnastizierung sind auch für Gangpferde wichtig. Die körperliche und die psychische Gesundheit sollten stets im Fokus stehen. Worauf es dabei ankommt, erklärt die Ausbilderin Kirsti Ludwig

Die äußere Haltung des Pferdes ist ganz besonders in der Gangpferdeszene ein viel diskutiertes Thema“, schreibt Kirsti Ludwig in ihrem Buch „Dressur für Gangpferde“. Der Grund liege im vierten Gang, dem Tölt. Dieser wurde früher nahezu durchweg in einer sehr hohen und damit für die Pferde schädlichen Aufrichtung geritten. Die Ausbilderin erklärt, was biomechanisch gesehen dabei passiert: „Die Dornfortsätze am Widerrist verlieren durch das Heben des Kopfes den Zug des sogenannten Nackenbandes, das den Widerrist anhebt und für eine runde Oberlinie sorgt. Hängt es durch, kippen die Dornfortsätze nach hinten, als Folge senkt sich der Rücken, die Hinterhand kann keine Last mehr aufnehmen.“ Die Bauchmuskeln verlieren ebenfalls die Spannung.

Überschätzte Kraft

Generell gelten Islandpferde als Gewichtsträger. Das kann ihnen jedoch zum Verhängnis werden und zu einer Trageerschöpfung führen. Auch wenn die robusten Isländer in der Regel mehr Last tragen können als zum Beispiel ein Welshpony und manche Menschen der Meinung sind, das mache den Vierbeinern nichts aus, sieht die Realität nicht selten anders aus. „Es lohnt sich, hier einmal genauer hinzusehen“, betont Kirsti Ludwig und erläutert: „Nicht selten stellen sich verzweifelte Bemühungen, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, als der eigentliche Grund für anscheinend unendliches Temperament heraus.“ So manches Islandpferd versucht durch die Flucht nach vorne regelrecht, einem zu hohen Reitergewicht zu entkommen. Fehlbelastungen führen jedoch nicht nur zu körperlichen Schäden, sondern können sich auch auf die Psyche auswirken. „Die Kombination von herausgedrücktem Unterhals und weggedrücktem Rücken entspricht der Panikhaltung eines Pferdes“, so unsere Expertin. Dabei steige die Atemfrequenz, und das Nervensystem signalisiere Flucht. Diese Haltung dürfe keinesfalls zum Dauerzustand werden, denn unter Stress sei weder Muskelaufbau noch Lernen möglich.

Die Sache mit der Bezäumung

„Manche Reiter mögen es mir nicht glauben, aber ein gut ausgebildetes Pferd kann ohne Veränderung der Haltung aus dem Schritt in Beizäumung über den Rücken antölten“, sagt Kirsti Ludwig. Das geht nicht ohne die entsprechende Vorbereitung, denn das Pferd muss gut trainiert sein und gelernt haben, sich ans Gebiss heranzudehnen. „Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, stabilisiert es sich, indem es Rücken und Unterhals festmacht. Losgelassenheit ist so unmöglich“, erklärt unsere Expertin. Neben dem Ausbildungsstand des Pferdes könne auch ein unerfahrener Reiter der Grund für eine über die Hand aufgerichtete hohe Tölthaltung des Pferdes sein. Leider werde fälschlicherweise oft davon ausgegangen, dass man durch ein Aufrichten des Halses auch mehr Vorhandaktion erzeugen könne. Beim Training stehen die beiden Faktoren Ausbildungsstand und Alter in engem Zusammenhang. In der Regel steigt der Ausbildungsstand des Pferdes bei korrekter Ausbildung mit dem Alter. Dieser Prozess ist eng mit einer Kraftzunahme verbunden. „Isländer, die – nach wie vor – Spätentwickler sind, wachsen oft noch bis zu ihrem siebten Lebensjahr“, gibt Kirsti Ludwig zu bedenken.

Mehr Informationen zum Thema „Dressur für Gangpferde“ finden Sie in der aktuellen Mein Pferd-Ausgabe.