Text: Inga Dora Schwarzer         Foto: www.Slawik.com

Gelingt etwas nicht wie gewünscht, 
wird der Fehler häufig beim Pferd gesucht. 
Dabei ist der Mensch das klügere Wesen. 
Richtet er seinen Blick bewusst auf das 
eigene Handeln, kann er das Reiten und 
den Umgang mit dem Vierbeiner verbessern. Wie das gelingt, zeigen die Ausbilderinnen 
Babette Teschen und Tania Konnerth

Die eigenen Fehler erkennen



Die Expertinnen berichten offen von ihren eigenen Erfahrungen. „Meinen Mariscal und auch andere Pferde habe ich früher mit Ausbindern longiert und geritten, weil er sich immer über den Hals herausgehoben hat. Heute würde ich in so einem Fall zunächst am Boden eine gesunde Laufmanier schulen (Longenkurs) und keine Hilfszügel mehr einsetzen“, sagt Babette Teschen. Außerdem habe sie es zugelassen, dass ein namhafter Ausbilder bei einem Zirkuslektionen-Lehrgang ihr Pferd gegen ihren Willen mit einer Beinlonge im Kompliment unten auf dem Boden gehalten hat. „Heute würde ich dazwischen gehen und es vor dieser Anwendung von Gewalt und Druck beschützen.“

Auch Tania Konnerth weiß von persönlichen Fehltritten zu berichten. „Ich habe die hohe Motivation und Arbeitsbereitschaft meines ersten Pferdes Aramis leider etwas zu sehr ausgenutzt. Gerade weil er so toll mitmachte und so viel anbot, sollte es immer weiter gehen, besser und mehr sein. Das ging so lange gut, bis er mir irgendwann die rote Karte zeigte und die Mitarbeit in der Bahn bis aufs Schrittreiten komplett verweigerte. Nur im Gelände war er noch der Alte. Gottseidank habe ich seine Botschaft damals – wenn auch spät – verstanden und mich nicht einfach „durchgesetzt“. Ich arbeitete an meinen Erwartungen und Ansprüchen und versprach ihm ein Mitspracherecht. So war er nach einer Weile wieder bereit zur Bahnarbeit.“ 
Ein neues Pferd brachte sie erneut dazu, ihr Handeln zu hinterfragen. Sie musste lernen, zwei Charaktere nicht miteinander zu vergleichen, sondern ihre Vorerfahrungen ad acta zu legen. „Mit meinem Pferd Anthony bin ich eigentlich ständig gezwungen, mein Verhalten zu reflektieren und zu korrigieren und das im Großen wie im Kleinen. Vieles, was ich mir für ihn so vorstellte, wie ich es von meinem ersten Pferd gewohnt war, funktionierte überhaupt nicht, denn er hat einen vollkommen anderen Charakter als Aramis. Ich musste immer wieder aufs Neue lernen, dass ich ihn so annehmen muss, wie er ist, und nicht, wie ich es vielleicht gerne hätte. Ich habe von diesem Pferd mehr gelernt als von allen anderen zusammen.“

Niemand ist vollkommen



Nicht nur im Rückblick auf bereits Geschehenes, sondern auch in der Gegenwart gibt es immer mal wieder Phasen, in denen Reiter etwas entscheiden oder machen, was sie einen Moment später schon wieder bereuen. „Vielleicht hatten wir einen schlechten Tag oder waren überzeugt, uns doch wieder einmal unbedingt durchsetzen zu müssen, statt geduldig zu sein. Vielleicht müssen wir aus bestimmten Gründen gerade Kompromisse eingehen oder sind einfach auch mal nicht in der Lage, so selbstreflektiert zu sein, wie wir es eigentlich gerne wären. Von all dem geht die Welt nicht unter, aber es ist wichtig, sich in solchen Fällen klar darüber zu sein, dass wir uns dann aus dem pferdefreundlichen Bereich herausbewegen“, meinen sie.

Neue Perspektiven


Wie formulierte es der US-amerikanische Autor und Unternehmer Seth Godin einmal so schön? „Etwas Neues zu lernen fällt uns deshalb so schwer, weil uns das zu jemandem macht, der der Person, die wir einmal waren, widersprechen wird.“ Es gehört Mut dazu, wenn man sich ernsthaft weiterentwickeln möchte. „Ohne die Bereitschaft, Fehler zu erkennen, ja, manchmal auch echte Irrwege einzusehen, und das eben auch auszuhalten, könnten wir nie etwas ändern – nicht unser Verhalten, nicht unser Denken und schon gar nicht eingeschlagene Richtungen. Statt uns zu verurteilen, sollten wir froh sein über neue Erkenntnisse“, raten die Trainerinnen. Denn nur dann kann eine echte Selbstreflexion stattfinden, in der wir unsere Annahmen und Verhaltensweisen überprüfen sowie Frage- anstatt Ausrufezeichen setzen. „Diese weiche Offenheit, dieses Möglichmachen ist das, was es braucht, Gelerntes ein Stück weit loszulassen“, so Babette Teschen und Tania Konnerth. Öffnet sich eine neue Perspektive, lässt sich im Alltag mit dem Pferd schneller eine Lösung für Probleme finden.

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