Text und Foto: Jessica Kiefer

So weit das Auge reicht, erstreckt sich unter uns die nordschwedische Tundra mit ihren niedrigen Wäldern, ihren Mooren und Seen. Keinerlei Häuser oder Straßen sind in Sicht. Der Anblick vom Flugzeug aus, bevor wir in Kiruna landen, ist überwältigend! Kerstin und Matti haben sich mit ihrem erstklassigen Islandpferdehof vor allem dem Tourismus verschrieben. Im Winter erkunden die Gäste zu Pferd, auf dem Schneemobil oder mit dem Rentierschlitten die zauberhafte Schneelandschaft, im Sommer geht es auf Reittouren rauf in die Berge. Für eine solche Wildnistour begebe ich mich Mitte August­ in den hohen Norden. Am Abend treffen alle Teilnehmer der bunt gemischten Gruppe zwischen 15 und 65 Jahren ein. Die erste Nacht verbringen wir auf dem Reiterhof in gemütlichen, typisch schwedischen Gästehäusern­.

Am nächsten Morgen geht es gleich in die Wildnis. Zunächst werden die Pferde verladen, da wir den Fluss überqueren müssen. Irgendwann am Vormittag sind dann alle Sattel­taschen gepackt, die Pferde gesattelt und eingeteilt, und es kann losgehen. Nach einem kurzen Stück entlang des Flusses Kalix verlassen wir den befestigten Hauptweg und reiten über schmale Trampelpfade durch einen niedrigen Birkenwald. Obwohl der Sommer bisher sehr nass war, ist der Untergrund nicht rutschig, der Waldboden ist schön locker und meist mit federndem Moos bewachsen. Schnell können wir uns von der Qualität der Islandpferde überzeugen: Kerstin legt sehr viel Wert auf eine gute Ausbildung, und sie sind alle­samt 4- oder 5-Gänger. Besonders begeistert uns das routinierte Packpferd Brenna. Auch in den Pausen ist sie oft frei, während die anderen in einer abgesteckten Koppel grasen. So kommt sie gelegentlich auch an unserem Grillplatz vorbei und schaut, was es so gibt.

Nach dem Birkenwald erreichen wir am Abend des ersten Tages eine weite Berglandschaft, auf der uns ein kräftiger Wind entgegenbläst. Schließlich erreichen wir unser Camp für die nächsten beiden Tage: Zwei Sami­zelte, ein Grillplatz und eine große Koppel liegen geschützt und idyllisch an einem Bach. Der erste Abend in der Wildnis ist recht kühl, sodass wir uns nach einem köstlichen Abendessen am Lagerfeuer bald in unsere Tipis zurückziehen. Jeder bekommt ein Rentierfell zum Schlafen, das sich als erstaunlich bequem erweist. Außer­dem gibt es in der Mitte einen kleinen Ofen, in dem wir mit Holz Feuer machen und es so recht behaglich haben. Kerstin erweist sich als wunderbare Köchin, die selbst am Lagerfeuer 3-Gänge-Menüs zaubert. Hauptsächlich gibt es dabei Rentier aus eigener Zucht –von geräuchert bis Blutwurst wird es in jeder erdenklichen Variation gegessen. Mir als Vegetarierin sind die lebenden Rentiere und Elche lieber, die wir zwischendurch erspähen. Zumindest mit dem Fernglas entdecken wir auch ein paar Elche. Während sich die mächtigen Tiere im Winter um den Reiterhof scharen und sich großzügig aus den Heuraufen der Pferde bedienen, machen sie sich im Sommer eher rar. Die Wildnis ist einfach zu groß, da braucht es schon etwas Glück, die Tiere aufzuspüren. Ein Fernglas lohnt sich auf jeden Fall. Auch Bären, Wölfe und Vielfraße gibt es hier, diese bleiben uns jedoch gänzlich verborgen – und wir ihnen wohl auch. Für Tierbeobachtungen, zum Beerenpflücken, zum Sammeln von Rentiergeweihen und zum Fotografieren bleibt stets genügend Zeit, Eile kennt man hier nicht! Was nicht heißt, dass nur Schritt geritten wird. Zwischendurch gibt es immer mal Gelegenheit zum Traben, Tölten oder für einen kleinen Galopp.­ Aber insgesamt ist es die perfekte Reittour, um einfach in der Natur zu entspannen.

Unterwegs zum nächsten Quartier reiten wir über eine wunderschöne, baumlose Hochebene­. Der Blick reicht über Seen, bewaldete Täler und bis hinüber zu den Kebnekaise-Bergen, auf denen auch jetzt noch einiges an Schnee liegt. Am späten Nachmittag erreichen wir einen großen Wald, in dem sich auch unser nächstes Quartier befindet. Es ist Mattis Heimatdorf, das inzwischen nur noch für die Reiter genutzt wird. Kleiner Wermutstropfen bei der sehr idyllischen Lage sind nur die Mücken, die sich im feuchten Wald sehr wohlfühlen. Aber mit einem entsprechenden Mückenschutz ist das kein Problem. Außerdem herrscht zwar freundliches Wetter, aber kein T-Shirt-Wetter. Nach einem sehr heißen Sommer in Deutschland verschafft uns die Woche in Schweden eine kleine Abkühlung und einen Vorgeschmack auf den Herbst. Am letzten Tag erwar­tet uns ein Ritt hoch in die rötlich gefärbten Berge mit Blick über den breiten Kalix, die Kebnekaise-Berge und die riesigen Wälder. Am Picknickplatz finden wir frische Elchspuren und Kot. Leider sind wir etwas zu spät!

Die Mischung aus hervorragenden Pferden, großer Gastfreundschaft und unberührter Natur machen den Ritt zu einem einmaligen Erlebnis – unbedingt empfehlenswert!

Ihre Jessica Kiefer

www.reiterreisen.com

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