Text und Foto: Felix Raiß

Als frisch verheiratetes Reiter-Ehepaar war für unsere Hochzeitsreise ein Wanderritt die erste Wahl. Eine sechstägige Tour führte uns über eine der ältesten Hochlandstrecken Islands.

Im grünen Tal Vatnsdalur am nördlichen Ende des Kjölurs lernten wir die Herde kennen. Rund 50 Pferde würden die 25 Reiter die kommenden Tage begleiten. Es waren doppelt so viele Pferde wie Reiter, da mindestens einmal am Tag das Pferd gewechselt wurde. Geritten wurde in zwei Gruppen mit jeweils zwölf bis13 Personen mit etwa 25 freilaufenden Isis dazwischen. Der Ritt begann direkt mit einer ordentlichen Steigung das Tal hinauf, und wir fanden uns schlagartig im isländischen Hochland wieder. Die Schönheit der kargen und weiten Landschaft ist faszinierend: keine Straße, kein Haus, kein Lärm – nur wir und die Pferde. Schon nach den ersten Kilometern wurde die enorme Grundgelassenheit der Pferde offensichtlich. Zugleich muss erwähnt werden, dass es sich keineswegs um zermürbte, resignierte Touriklepper handelte. Im Gegenteil: Schwache Reiter, die nicht die richtigen Hilfen gaben, mussten im Zweifel den gesamten Wanderritt dieselben zwei bis drei „Anfängerpferde“ – die ihren Artgenossen alles nachmachten – reiten. Nach etwa sechs Stunden im Sattel – unterbrochen durch eine Mittagspause inklusive Pferdewechsel – erreichten wir unsere erste Übernachtungsstation. Mitten im Nichts stand auf einmal ein gedrungenes Häuschen inklusive Koppel. Der nächste Tag war landschaftlich sehr reizvoll: Die Mittagspause wurde in einer malerischen kleinen Senke gemacht, in der sich die Herde leicht zerstreuen konnte. Hier, irgendwo zwischen Mittelerde und Feen und Elfen, hätten wir für immer bleiben können. Am Tagesziel wartete ein weiteres Highlight: ein natürlicher Hotpot, gespeist von den heißen Quellen von Hveravellir. Ein Bad darin hat sich natürlich keiner entgehen lassen. Trotz Glück mit dem Wetter – kein Regen und immer Rückenwind – kann man auch im Hochsommer im isländischen Hochland nahe des Polarkreises ganz schön frieren. Die dritte Etappe verlief durch pures Hochland: endlose Weiten, unterbrochen nur von Gletschern und Seen. Am Nachmittag erhielt der frischgebackene Ehemann ganz unverhofft den reiterlichen Ritterschlag: Er durfte die hintere Gruppe anführen und damit die Herde treiben und zusammenhalten – eine große Verantwortung. Das nächste Ziel war eine Hütte auf einem Hügel, die einen traumhaften Blick auf den Gletschersee bot. Da in den Sommermonaten die Sonne in Island (fast) nicht untergeht, war der Abend ein einziger Sonnenuntergang. Traumhaft! Und am Abend dieses perfekten Reittages gab es vor perfekter Kulisse das perfekte Essen: frisch gegrillte Lammkoteletts! Am vierten Tag zeigte sich noch mal die beeindruckende Unverwüstlichkeit der kleinen Isländer: Die Pferde liefen so trittsicher und unempfindlich über ein Lavafeld, welches mit kleinem, scharfen Geröll übersät war, als würden sie über einen Golfplatz gehen. Jedes uns bekannte „deutsche“ Pferd wäre eher verhungert als weiterzulaufen. Unnötig zu erwähnen, dass die Pferde keinen Schaden genommen haben. Der vorletzte Tag führte uns wieder in die Zivilisation, mit einer Mittagspause am Wasserfall Gullfoss. Lustig war dabei, dass die „anderen“ Touristen zunächst uns als Fotomotiv ausgemacht hatten. Aber wer kann ihnen das verübeln, wenn eine Herde freilaufender Isis im Tölt daherkommt? Am letzten Tag besuchten wir das Geysir-­Thermalgebiet – ein Punkt auf der „Must-see“-Liste für eine Islandreise. Zum Abschluss fand sich dann noch mal die Gelegenheit zum ausgiebigen Tölt. Eine besondere Freude war, dass wir uns das Pferd für unseren letzten Tag aussuchen durften! Unsere Wahl fiel ohne langes Überlegen auf Reynir und Lyfting. Zwei Namen, an die wir uns sicher noch in 50 Jahren erinnern werden. Am Nachmittag verabschiedeten wir uns nach rund 190 Kilometern und 35 Stunden im Sattel von unserer Herde. So ging ein un­vergessliches Erlebnis zu Ende – nicht nur, weil es unsere Hochzeitsreise war.

Silke und Felix Raiß

www.eldhestar.is

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