Text: Ilja van de Kasteele         Foto: Getty Images/Blend Images

Nach dem ersten Galopp schnauben die Pferde große Atemwolken in die Stille des Waldes. Durch die kahlen Baumwipfel lugt die Sonne hindurch, tastet über den Waldboden und lässt das Laub in allen Schattierungen von Gelb, Rot und Braun leuchten. Hier und da wird das Flickenmuster des Blätterteppichs durchbrochen: Erste Boten des nahenden Frühlings begrüßen die wärmenden Sonnenstrahlen mit zartem Grün. „Ist das herrlich“, ruft Jasmin aus und strahlt ihre Freundin Claudia an. Sie streichelt ihrem Wallach über das schweißnasse Fell, atmet mit ruhigen Zügen den Duft des Tieres ein und schüttelt den Kopf. „Noch vor einer Woche hätte ich nicht gedacht, dass der erste Ausritt des Jahres so schön werden würde.“

Ausritte genießen können

Mit schön meint sie vor allem: harmonisch und entspannt. Denn das war es nicht immer. Sie erinnert sich an ungezählte Ausritte, die sie immer mehr verunsichert haben. So sehr, dass sie schließlich nach Ausreden suchte, um nicht mehr mit ins Gelände reiten zu müssen, wenn sie von einer Reitkollegin gefragt ­wurde. „Dabei war der Ausritt draußen in der Natur immer das Schönste für mich. Nichts hat mich so sehr geerdet und von den Sorgen des Alltags befreit wie das.“ Ihr Problem kam mit dem neuen Pferd, dem Wallach, mit dem sie jetzt so sorgenfrei unterwegs ist. „Ich habe schon viele Pferde geritten“, erzählt sie, „aber mit Max war alles anders.“ Der Wallach war nervös und guckig. Jasmin spürte immer eine gewisse Grundanspannung in ihm. Wie aus dem Nichts sprang er plötzlich zur Seite oder rannte los. Max wurde ihr mit der Zeit immer unheimlicher und unberechenbarer. Das für sie Erstaunliche: Auf dem Platz oder in der Halle war alles bestens. „Hier hätte ich bedenkenlos ein kleines Kind auf ihn gesetzt“, sagt Jasmin.

Probleme, wie Jasmin sie schildert, haben viele Reiter mit ihren Pferden. In gewohnter Umgebung klappt alles reibungslos, aber im Gelände, wenn viele neue Eindrücke auf das Pferd zukommen, wittern sie hinter jedem Busch ein Schreckgespenst und sind ständig in Fluchtbereitschaft. Für die meisten Reiter wird ihr Pferd dann zum Rätsel, dessen Reaktionen sie einfach nicht deuten können. „Erst als ich verstanden habe, warum mein Max sich so verhält, habe ich mein Verhalten so ändern können, dass er Vertrauen zu mir gefasst und angefangen hat, sich auf mich zu verlassen“, erzählt Jasmin. Das bedeutet auch, mit so manchem Mythos aufzuräumen. So ist die herkömmliche Begründung für das Pferdeverhalten, sie seien eben Fluchttiere, nicht ganz richtig beziehungsweise nicht ausreichend. Bei Gefahr flieht schließlich jedes Säugetier, auch der Mensch.

… wie Sie die ersten Ausritte genießen können, lesen Sie in der aktuellen Mein Pferd-Ausgabe.