Unfälle, Misshandlungen oder schlechte Haltungsbedingungen können bei Pferden schwere Traumata hinterlassen. Wie sie diese erkennen, was in der Psyche passiert und wie traumatisierten Pferden geholfen werden kann, erklärt unsere Expertin, Traumatherapeutin Irina Eisenhardt-Junges
Interview: Anna van de Kasteele; Foto: Ilja van de Kasteele

Mein Pferd: Was ist ein Trauma?
Irina Eisenhardt-Junges: Ein Trauma wird durch ein Ereignis ausgelöst, welches als lebensbedrohlich empfunden wird. Etwas wirkt auf den Betroffenen zu schnell, zu heftig und zu plötzlich ein. Instinktive Reaktionen wie Kampf oder Flucht sind nicht möglich. Das Pferd, oder auch jedes andere Lebewesen, verfällt in eine Art Schockstarre. Äußerlich wirkt ein Tier wie eingefroren oder tot, innerlich aber wird es von einer gewaltigen Überlebensenergie überflutet, die das Tier ursprünglich bei drohendem Tod vor Schmerzen schützen oder aber bei einer späteren möglichen Flucht wieder voll mobilisieren soll. Man unterscheidet zwischen einer Mono- und einer komplexen Traumatisierung. Ein Trauma selber kann gut überwunden werden, schwierig wird es erst, wenn das Pferd eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, die sogenannte PTBS.

Welche Rolle spielt der Charakter des Pferdes?
Nicht jedes Pferd erlebt nach einem schlimmen Erlebnis direkt ein Trauma oder entwickelt eine PTBS. Ein sensibles, vorsichtiges oder vorbelastetes Pferd neigt aber vielleicht eher dazu als ein solches Pferd, das gefestigter ist. Es ist tatsächlich sehr oft eine Typfrage.

Warum ist Desensibilisierung der falsche Weg, ein Trauma zu heilen?

Bei einer Desensibilisierung ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass eine Retraumatisierung stattfindet, da die frühere Information der „Lebensbedrohung“ bei einer stetigen Konfrontation nicht aufgelöst, sondern nur wiederholt werden.

Wie behandelt man ein Trauma stattdessen?

Es gibt viele verschiedene Therapieansätze. In meiner Arbeit orientiere ich mich an einer von Francine Shapiro entwickelten Therapieform und an der Arbeit des berühmten Traumatherapeuten Peter Levine.
Bei EMDR nach Francine Shapiro handelt es sich um eine bilaterale Stimulation, die die Emotion von der Erinnerung entkoppelt. Die alte Information wird im Prinzip verarbeitet, so dass die Erinnerung nicht mehr die emotionale Belastung hervorruft.
Die Körpertherapie orientiert sich an der Arbeit von Peter Levine. Hier wird dem Pferd geholfen, den alten zuvor verhinderten Bewegungsablauf kontrolliert auszuführen. Zum Beispiel die Flucht nach vorne. Beide Vorgehensweisen sind entsprechend abgewandelt und für Tiere konzipiert.
Wichtig ist ein behutsames Vorgehen, das Pferd darf nicht überflutet werden. Die Grundvoraussetzung für das Gelingen der Therapie ist eine vertrauensvolle und gefestigte Beziehung zwischen Pferd und Halter.

Das gesamte Interview finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe Mein Pferd 03/2017.