Seit Jahrtausenden ist das Pferd der Begleiter des Menschen. Kein Wunder also, dass neben den menschlichen Helden auch einige besondere Pferde in die Geschichte eingegangen sind und legendär wurden
Text: Jessica Classen; Foto: dpa und imago

Aus der Sagenwelt kennen wir mythologische Wesen wie die Zentauren, die halb Mann, halb Hengst waren, oder Pegasus, das Pferd mit den Flügeln. Und auch Einhörner sind uns ein Begriff, weil sie bekannte Gestalten aus der Märchen- und Sagenwelt sind, edle Fabeltiere, die symbolisch für das Gute stehen. Karl der Große soll laut einer Heldendichtung sogar den Hengst Bayard seines Schwagers Reinold verfolgt haben, weil jener dem Neffen Karls immer wieder zur Flucht verhalf. Angeblich soll Bayard ein Wunderross gewesen sein, das übernatürlichen Anstrengungen standhalten konnte, riesig war und über außergewöhnliche Kräfte und Ausdauer verfügte. Dass all diese Sagen und Dichtungen Pferde übertrieben darstellen, wissen wir heute. Trotzdem führen sie uns eines deutlich vor Augen: Das Pferd war für den Menschen schon immer ein Mythos, dessen Zauber er sich nicht entziehen konnte – und bis heute hat sich das nicht geändert. Es dauerte lange, ehe der Mensch das Beutetier Pferd trotz seiner auskeilenden Hinterbeine und starken Zähne zähmte und es für seine Dienste nutzbar machte: vom lebenden Proviant zum unverzichtbaren Arbeitstier, das ihm in allen Lebenslagen hilfreich zur Seite steht. Vor allem in schwierigen Zeiten wie Kriegen war das Pferd ein unverzichtbarer Begleiter des Menschen.

Kriegspferde

In der Antike und im Mittelalter wurde das Pferd als Zug-, Last- und Reittier genutzt. Durch ständige Nachbarschaftsstreitereien, bei denen auch Gebiete verteidigt oder erweitert wurden, entstand die Kavallerie, und der Pferdezucht wurde eine entscheidende und strategische Bedeutung beigemessen. Wenn wir an Kriegspferde denken, denken wir automatisch an große, schwere Schlachtrösser. Dabei haben Knochenfunde ergeben, dass die Pferde damals eine Größe von gerade einmal knapp 1,45 Meter bis 1,50 Metern hatten. Trotz ihrer geringen Größe waren  es robuste und starke Tiere. Für den Krieg eigneten sie sich deshalb besonders gut, weil auch die Menschen früher kleiner waren als heute und im Kampf nicht nur blitzschnell reagieren, sondern auch schnell fliehen mussten. Dafür eigneten sich kleine Pferde besser, denn im Falle eines Falles konnten die Kämpfer schneller wieder aufsteigen und sich in Sicherheit bringen. Im Hochmittelalter kamen zu diesen robusten Tieren die Pferde der Araber hinzu. Wüstenkrieger eroberten auf ihren ausdauernden und schnellen Pferden ein großes Gebiet, das auch die Iberische Halbinsel erfasste. So kam es, dass die schweren, robusten Schlachtrösser mit den leichten und wendigen Arabern gekreuzt wurden. Die Hoffnung bestand darin, das Beste aus beiden verbinden zu können: Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Kämpfer verlangten von ihren Pferden aber noch eine weitere Eigenschaft: Mut. Allerdings ist das Pferd von Natur aus kein heldenhaftes Geschöpf, und ihm mit Gewalt Mut beizubringen bringt absolut nichts. Nur durch Vertrauen war es möglich, dass sie ihre Reiter durch die Schlachten trugen. Dies wusste auch schon der griechische Politiker und Philosoph Xenophon. Seine Schrift „Über die Reitkunst“ hat die Jahre überdauert und ist heute noch aktuell: Um das Vertrauen der Pferde zu gewinnen, müssen Reiter sich persönlich und intensiv mit ihnen beschäftigen und sie immer gut behandeln, weil sie sich besonders im Krieg zu 100 Prozent auf ihr Pferd verlassen müssen. Das Training von Kriegspferden beruhte anfangs darauf, dass sie zwischen Menschen ruhig blieben. Mit dem Aufkommen von Schusswaffen änderte sich auch das Gelassenheitstraining: Neben den Pferden wurden Trommeln geschlagen und neben ihren Köpfen Gewehre abgefeuert. Dadurch wurde der Fluchtinstinkt der Pferde vermindert, und sie blieben trotz allem Getümmel ruhige und verlässliche Partner. Die hohe Schule der Dressur orientiert sich noch heute an dem Training der Ausbildung: Levade und Kapriole sehen für den Laien wie Ungehorsam des Pferdes aus, aber es sind ursprüngliche Verteidigungslektionen, die im Kriegsgetümmel den Reiter vor Angriffen des Gegners bewahrten.

Antike Pferde

Das Glück der Erde lag auch im Krieg auf dem Rücken der Pferde. Die Geschichtsbücher würden sich ganz anders lesen, wären die großen Krieger Fußgänger gewesen. Pferde verliehen ihrem Reiter das Gefühl, erhaben zu sein – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Laufe der Geschichte hat es viele Millionen Kriegspferde gegeben – trotzdem blieb eine überwiegend große Anzahl unbekannt. Das liegt aber nicht daran, dass sie weniger mutig als ihre berühmten Artgenossen waren, sondern daran, dass ihre Reiter schlichtweg unbekannt sind. Denken wir einmal an Bukephalos, das einst unzähmbare Pferd von Alexander dem Großen (siehe Mein Pferd 07/2014). Hätte der spätere Weltherrscher sich nicht für den großen schwarzen Hengst mit dem weißen Fleck auf der Stirn interessiert, würden wir ihn heute bestimmt nicht kennen. Alexander war zwölf Jahre alt, als er dem Hengst zum ersten Mal begegnete. Dieser wollte nicht geritten werden, geschweige denn, dass er überhaupt jemanden in seine Nähe gelassen hätte. So schien es zumindest anfangs. Alexander merkte schnell, dass das Pferd nicht vor den Menschen Angst hatte, sondern vor seinem eigenen Schatten. Also stellte Alexander sein Pferd mit dem Kopf zur Sonne, und siehe da – er konnte problemlos aufsteigen und den Hengst reiten. Er nannte sein Pferd Bukephalos – griechisch für Ochsenkopf. Ob dies an der Kopfform oder dem sturen Gemüt des Tieres lag, ist bis heute unklar. Uns allen aber ist im Gedächtnis geblieben, dass er seinem Reiter bedingungslos zur Seite stand, ihn in jedem Kampf in die Schlacht trug und Alexander ihm letztendlich sogar eine Stadt widmete. Das Pferd wurde von seinem Besitzer regelrecht verhätschelt. Letztendlich starb der Hengst im Alter von 30 Jahren in einer Schlacht an seinen Verletzungen. Auch der weiße Hengst Babieca wurde durch seinen Reiter berühmt: El Cid, ein kastilischer Ritter. Sein Hengst gilt als Vorfahre des andalusischen Pferdes und war seinem Reiter treu ergeben. Auch am Ende der entscheidenden Schlacht Anfang des 12. Jahrhunderts war er an der Seite seines Reiters. Besonders war es, weil El Cid am Abend zuvor an den Folgen einer Pfeilverletzung starb und noch am Sterbebett veranlasst hatte, dass sein Leichnam auf das Pferd gebunden würde. Babieca trug den Toten in voller Rüstung in die Schlacht. Auf diese Weise motiviert, errangen seine Krieger einen Sieg über die von der Erscheinung des Totgeglaubten erschreckten Berber. Wie alt der andalusische Hengst wurde, ist nicht überliefert. Aber glaubt man den Legenden, soll er ein sehr hohes Alter erreicht haben.

Waterloo

Was viele an einen großen ABBA-Hit erinnert, lässt auch Reiterherzen höherschlagen: Sind uns doch allen Marengo und Copenhagen als die bedeutendsten Schlachtrösser aus der Schlacht bei Waterloo in Erinnerung geblieben. Der Hengst Marengo (siehe Mein Pferd 11/2014), ein kleiner arabischer Schimmel mit einem Stockmaß von gerade einmal 1,45 Metern, war das Pferd von Napoleon Bonaparte. Er soll nicht nur besonders schnell, geschickt und mutig gewesen sein – sogar Schusssicherheit wurde ihm nachgesagt. Marengo wurde acht Mal in Schlachten angeschossen – und überlebte alles. Er soll sogar in der Lage gewesen sein, die Strecke von Valladolid nach Burgos – 129 Kilometer – in fünf Stunden zu galoppieren. Im hohen Alter von 38 Jahren starb der Hengst. Ein weiteres berühmtes Pferd aus der Schlacht von Waterloo war der Hengst Copenhagen. Als Dreijähriger bestritt er noch erfolglos Rennen, dann wurde er 1812 an Wellington verkauft. Der Hengst galt als launisch und schwer bezähmbar, soll aber trotzdem ein hervorragendes Kriegspferd gewesen sein, das sich nicht vom Schlachtenlärm beeindrucken ließ. Pferd und Reiter wurden von den Soldaten als eine Einheit gesehen. Nachdem Wellington aus der Politik im Jahre 1830 austrat, lebte Copenhagen auf dessen Landsitz. Als er im biblischen Alter von 29 Jahren starb, bekam er ein Begräbnis mit militärischen Ehren. Auch andere Kavalleriepferde, die dieselben Eigenschaften besaßen, werden uns ewig ein Begriff sein, weil sie die schweren Kriege durch- und vor allem überlebten: Comanche wurde beispielsweise 29 Jahre alt – anfangs vermutlich als Wildpferd eingefangen und dann im amerikanischen Bürgerkrieg von Captain Myles Keogh geritten. Little Sorrel wurde beachtliche 36 Jahre alt, obwohl er unter Stonewall Jackson auch den amerikanischen Bürgerkrieg durchlebte.

Die beiden Weltkriege

Der Erste Weltkrieg war der erste industriell geführte Krieg der Geschichte. Deshalb gehen viele davon aus, dass der technische Fortschritt Pferde im Krieg überflüssig gemacht hat. Das ist ein großer Irrtum. Allein im Ersten Weltkrieg waren es rund 1,5 Millionen Pferde auf deutscher Seite. Kaiser Wilhelm II. sah in Pferden die Zukunft, nicht in Autos. So soll er gesagt haben, dass das Automobil eine vorübergehende Erscheinung sei und er an das Pferd glaube.  Pferde dienten den Soldaten, indem sie schwere Geschütze, Kanonen und die Proviantwagen bis zur Erschöpfung durch tiefen Morast zogen. Viele Pferde ließen dabei ihr Leben. Berühmt wurden letztendlich die, die den Krieg überlebten. Das Kavalleriepferd Kidron beispielsweise trug seinen Reiter, den Amerikaner John J. Pershing, durch den Ersten Weltkrieg und starb im hohen Alter von 35 Jahren in den USA. Die Gefahren waren sowohl für Pferde als auch für die Menschen gleichermaßen hoch. Durch das Aufkommen der Schusswaffen und Kanonen mussten besondere Schutzmaßnahmen her. Außerdem kam es im Ersten Weltkrieg erstmals zum Einsatz von chemikalischen Waffen. So war es keine Seltenheit, auch Pferde mit einer Gasmaske zu sehen. Im Zweiten Weltkrieg wurden alleine von der deutschen Wehrmacht 2,75 Millionen Pferde in den Krieg geschickt, von russischer Seite waren es sogar 3,5 Millionen. Täglich starben etwa 865 Pferde. Pferde wurden in drei Bereichen eingesetzt: Zum einen dienten sie als Truppenpferde vor allem in der Artillerie und den Versorgungstruppen. Zum anderen waren sie ein Fortbewegungsmittel des kämpfenden Soldaten in der Kavallerie und dienten als Offizierspferd dem Führungspersonal. Helden der Geschichte Die menschlichen Kriegshelden sind uns aus Geschichtsbüchern bekannt – über ihre Pferde dagegen wird nur wenig bis gar nicht berichtet, obwohl sie nicht weniger Gefahren ausgesetzt waren und genauso heldenhaft gehandelt haben. Aus diesem Grund wurde in London 2009 das „Animals in War Museum“ von Prinzessin Anne eröffnet. Mit diesem Museum soll der Pferde gedacht werden, die keine andere Wahl hatten, als treu ihren Reitern zu folgen. All diese Pferde sind als Legenden auf vier Hufen in die Geschichte eingegangen und werden uns vor allem wegen ihres Mutes, aber auch wegen ihres hohen Alters in Erinnerung bleiben. Im Gegensatz zur heutigen Zeit waren sie damals Gefahren ausgesetzt, die mancher Mensch nicht überlebte. Sie mussten nicht nur weite Strecken mit einer schweren Last zurücklegen, sondern auch Kriegsgegnern widerstehen. Vermutlich wurden sie so alt, weil sie von ihren Reitern gehegt und gepflegt wurden und nicht nur als Nutztier gehalten, sondern auch wie ein Gefährte behandelt wurden