Ist die Ankaufsuntersuchung nur Geldverschwendung, oder schlummert in meinem Traumpferd ein „Geld-Schluck-Esel“? Zu wissen, was eventuell auf einen zukommt, kann die Kaufabsicht sehr stark beeinflussen. Wann ist eine Ankaufsuntersuchung angebracht, und was genau wird gemacht?Text: Lara Wassermann; Fotos: IMAGO/ Frank Sorge

Ein Springpferd soll es sein und zwar ein talentiertes, mit dem man in den nächsten Jahren auf ein paar Turnieren starten kann. Auf fremden Pferden habe ich schon einige A- und L-Prüfungen gewonnen und möchte dieses Erlebnis nun auch endlich mit meinem eigenen Pferd erreichen. Die Suche geht los. Viele Pferde reite ich zur Probe und bin mir trotzdem immer sicher, dass das richtige noch nicht dabei war. Dann endlich, beim zehnten Termin zum Probereiten, habe ich das Gefühl – das ist es! Eine Ankaufsuntersuchung möchte ich natürlich machen, aber ich bin ziemlich sicher, dass dabei nichts herauskommen wird, denn die Verkäufer scheinen vertrauenswürdig und möchten ja auch keinen „Wanderpokal“ verkaufen, sondern ein gutes Zuhause für ihr Pferd sicherstellen. Deshalb würden sie mir sagen, wenn es eine Vorgeschichte hätte. Der Tierarzt untersucht den 1,70 Meter großen braunen Wallach und kommt zu dem Schluss, dass es klinisch ein gesundes Pferd ist – ich verzichte deshalb auf Röntgenaufnahmen, weil diese auch immer eine Menge Geld kosten. Eine Woche später ist mein Traumpferd endlich in seiner neuen Box in meinem Stall und das Training kann losgehen. Ich bin so glücklich, dass ich endlich mein eigenes Pferd habe – dafür hat sich das lange Sparen gelohnt. Nach ein paar Monaten steht das erste Turnier an, ein A-Springen. Mein Wallach nimmt zwar jedes Hindernis, aber es scheint ihm jetzt schon deutlich schwerer zu fallen als noch vor ein paar Monaten. Ich rufe den Sattler, damit er sich den neu angepassten Sattel erneut ansieht. „Alles ist okay. Der Sattel verursacht bei Ihrem Pferd keine Schmerzen“, lautet sein Urteil. Da er aber auch ansonsten sehr komisch scheint, rufe ich dann doch den Tierarzt. Er kann zwar nichts feststellen, jedoch rät er mir, meinen siebenjährigen Westfalen zu röntgen. So langsam kommt mir der Gedanke, dass ich das vielleicht schon bei der Ankaufsuntersuchung hätte machen sollen. In der Pferdeklinik wird der Rücken geröntgt. Noch am gleichen Tag steht fest: Mein Pferd hat zwei zusammengewachsene Wirbel und wird nie mehr hoch springen dürfen. Er hat zwar die genetische Veranlagung und hatte großen Spaß daran, jedoch entwickelten sich mit zunehmender Belastung Schmerzen, die ihm das Springen gänzlich verbieten. Laut Tierarzt kann man nichts daran ändern. Ich habe das Pferd nicht röntgen lassen, und das hatten die vorherigen Eigentümer auch nicht gemacht. Ich kann ihn deshalb nicht zurückgeben und habe mich auch schon so an ihn gewöhnt, dass ich das sowieso bereits ausgeschlossen hatte. Schon zwei Monate nach der Untersuchung waren die Tierarztkosten höher als die der Röntgenbilder. Hätte ich mich direkt für die sichere Variante entschieden, hätte ich ein Pferd gekauft, mit dem ich meiner Leidenschaft, dem Springen, nachgehen könnte.

Von Anfang an …

So eine Geschichte haben wahrscheinlich viele Reiter schon mal gehört und denken trotzdem, dass das Risiko nicht hoch ist, dass dies einem selbst passiert. Das Argument, dass der Ankaufspreis des Pferdes nicht hoch genug ist, als dass sich die Röntgenuntersuchung lohnen würde, hört man immer wieder. Der Haken an dieser Argumentation ist nur, dass es für den Tierarzt unerheblich ist, ob ein Sportpferd eine Erkrankung hat oder ein Norweger. Die Kosten, die Sie in so einem Falle tragen müssen, werden die gleichen sein. Doch fangen wir am Anfang an. Dr. Petra Borsuck von der Tierpraxis am Paulshof (www.tierarzt-paulshof.de) ist langjährige Pferdeärztin und führt routiniert Kaufuntersuchungen bei Pferden durch. „Unter einer Ankaufsuntersuchung versteht man die Feststellung des Gesundheitszustandes eines Pferdes zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs“, so Borsuck. Es können bei der Kaufuntersuchung in einem gewissen Umfang Veränderungen beim Pferd festgestellt werden, die einem als Laie nicht sofort ins Auge fallen. „Das Ergebnis der Untersuchung dient Käufer und Verkäufer gleichermaßen, sollten doch beide Interesse daran haben, dass das Pferd gesund und fehlerfrei ist. Der Verkäufer kann sich damit in Hinblick auf seine gesetzliche Gewährleistung absichern, der Käufer legt natürlich auch Wert darauf, ein mängelfreies Pferd zu erwerben“, so die Expertin weiter. Was bei der jeweiligen Untersuchung genau gemacht wird, richtet sich nach den Wünschen des Käufers oder auch Verkäufers. Alter, Rasse und Verwendungszweck spielen dabei eine Rolle. Häufig wird bei einem für den gehobenen Sport vorgesehenen Pferd eine weiterführende Untersuchung gemacht, da es stärker belastet wird als ein Kinderpony. Dr. Petra Borsuck berichtet: „Pferdetierärzte halten sich dabei an vorgegebene Protokolle, in denen sie die Untersuchungsergebnisse genau festhalten. Diese Protokolle sind ratsam, damit keine Untersuchungenvergessen werden, die Befunde übersichtlich dokumentiert und alles sorgfältig archiviert werden kann.“ Tibor Fereutz von der Gesellschaft für Pferdemedizin geht sogar noch einen Schritt weiter und ist der Meinung, dass sich jeder Tierarzt die vorgefertigten Kaufuntersuchungsbögen des „Hippiatrika Verlags“ bestellen soll. Fereutz: „Das ist für Verkäufer und Käufer eine tolle Sache, weil jede Partei einen Nachweis über die Untersuchung und die Befunde hat. Außerdem kann der Tierarzt so keine Untersuchung vergessen.“ Dieser Kaufuntersuchungsbogen kann nur vom Tierarzt bestellt werden, jedoch können Sie ihn darum bitten, dass er diesen zur Ankaufsuntersuchung mitbringt. Dieser Bogen ist auch in rechtlicher Hinsicht eine sinnvolle Ergänzung: Wenn der Tierarzt bei der Untersuchung grobe Fehler macht, wodurch nachweislich eine Krankheit des Pferdes nicht festgestellt wird, so haftet er für den Verlust. Auch vonseiten des Verkäufers sollten alle Mängel des Pferdes vorher bekannt sein und in den Bogen eingetragen werden. Ist eine Erkrankung des Pferdes, wie in unserem Beispiel, dem Verkäufer unbekannt, so kann er auch im Nachhinein nicht haftend gemacht werden. Weiß er allerdings davon, ohne dies im Verkaufsgespräch mitzuteilen, so haben Sie Anspruch auf Rückgabe des Kaufgegenstands. Der Kaufuntersuchungsbogen hat also für alle Parteien einen Nutzen und sichert die Untersuchung ab. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer kleinen und einer großen Ankaufsuntersuchung (AKU). Diese Begriffe sind zwar nicht genau definiert, jedoch beschreibt die kleine AKU eine „gründliche klinische Allgemeinuntersuchung in Ruhe und Bewegung, eine große AKU beinhaltet zusätzliche Röntgenaufnahmen in standardisierten Projektionsebenen. Sie kann auch Ultraschalluntersuchungen und rektale oder vaginale Untersuchungen einschließen“, erklärt Dr. Borsuck. Wenn bei der klinischen Untersuchung des Pferdes irgendwelche Mängel festgestellt werden, so wird die kleine Ankaufsuntersuchung erweitert. Dabei werden häufig nicht alle Standardaufnahmen gemacht, sondern beispielsweise nur das entsprechend auffällige Bein geröntgt. Viele Tierärzte haben mittlerweile mobile Röntgengeräte, die so eine Entscheidung, „sich das Bein mal genauer anzuschauen“, leicht und unproblematisch machen. Wenn man jedoch von Anfang an weiß, dass das Pferd eine große Ankaufsuntersuchung bekommen soll, also standardmäßig zwölf Aufnahmen von den Strahlbeinen, vier Zehengelenken, Sprunggelenken, Knien und dem Rücken gemacht werden sollen, kann man sich auch überlegen, dafür in eine Pferdeklinik zu fahren. Die Vorteile sind die standardisierten Verhältnisse, spezielle gepflasterte Trabstrecken auf gebogener und gerader Linie, eine Halle und dunkle Räume für die Augenuntersuchung.

Kategorien der Röntgenbefunde

Vor allem beim Durchsehen von Pferde-Verkaufsanzeigen stößt man immer wieder auf die Erwähnung der Kategorie. Diese gibt dem potenziellen Käufer Eindrücke der Röntgenbefunde des Pferdes. Unterschieden wird zwischen vier Röntgenklassen, wobei auch Zwischenklassen möglich sind (z. B. Kategorie 1–2). Dr. Petra Borsuck: „Bereits in den 90er-Jahren hat sich eine erste Röntgenkommission von namhaften Professoren der Veterinärmedizin gebildet und die erste Fassung des Röntgenleitfadens für die Kaufuntersuchung des Pferdes erstellt. Diese Interpretationshilfe diente dem Zweck, Röntgenbefunde besser einordnen und beurteilen zu können und dem Pferdepraktiker einen Leitfaden zur Orientierung an die Hand zu geben. Mittlerweile wurde der Röntgenleitfaden mehrfach überarbeitet und dient in der aktuellen Fassung dazu, dem Tierarzt zu ermöglichen, eine neutrale Begutachtung von Röntgenbefunden für Käufer und Verkäufer zu erstellen.“ Diese Klasseneinteilung bezieht sich ausschließlich auf die Befunde der Röntgenbilder. Das klinische Bild des Pferdes wird nicht in Klassen bewertet. Obwohl Röntgenaufnahmen verborgene Mängel offenbaren können, die zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen können, ist die Expertin nicht der Meinung, dass bei jedem Pferd eine große AKU gemacht werden muss: „Es ist schwierig zu sagen, ob bei jedem Pferd alle Standardaufnahmen gemacht werden müssen, da manchmal auch Befunde herauskommen, die unter Umständen nie zu Lahmheit führen würden. Auch hier spielen wieder die Eigenschaften des Pferdes sowie Risikobereitschaft und der Geldbeutel eine Rolle. Wenn der Besitzer jedoch unschlüssig ist, sollte im Zweifel lieber eine umfassende Untersuchung gemacht werden, denn wenn das Pferd erst mal den Stall gewechselt hat und gesundheitliche Probleme auftreten, ist das immer mit persönlichen und finanziellen Unannehmlichkeiten verbunden.“