In den Augen eines Pferdes lesen wie in einem Buch? Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Viele Reiter und Pferdebesitzer erhoffen sich dadurch eine Antwort auf manches Verhalten. Tatsächlich ist es oft ganz einfach, in den Augen unseres Pferdes zu lesen, wie uns Pferdepsychologin Jessica Tramm wissen lässt (www.pferdepsychologie-tramm.de)
Interview: Jessica Classen; Foto: Daniel Elke

Was verraten die Augen über das Pferd?
Das Auge verrät uns Menschen viel über den psychischen und physischen Zustand des Pferdes. Wie geht es ihm? Wie fühlt es sich – ängstlich, unsicher? Hat es Schmerzen?

Was kann ich als Mensch aus dieser Beobachtung im Umgang mit dem Pferd lernen?
Wer sein Pferd gut kennt, kann an seinen Augen und natürlich auch am ganzen Pferd ablesen, wie es ihm geht, und frühzeitig darauf reagieren. Ist es nicht gut drauf, kann man das Training dementsprechend anpassen, zeigt es Unwohlsein, kann man den Tierarzt informieren zur Abklärung des Gesundheitszustandes. Wenn das Auge schön glänzt, das Pferd sehr neugierig und aufmerksam auf seine Umgebung reagiert, ist das ein Zeichen dafür, dass es sich gut fühlt und es ihm auch meistens gut geht. Sollte es teilnahmslos schauen, nicht sehr auf seine Umwelt reagieren und nach innen gerichtet aussehen, kann das ein Zeichen für Schmerzen sein. Aber Achtung – auch dösende Pferde schauen so! Es ist also immer ein genaues Hinschauen und Beobachten der einzelnen Situation erforderlich. Auch überforderte Sportpferde haben oft diesen Ausdruck im Training, hinzu kommen öfter Falten über dem Auge. Dies kann auf Schmerzen hindeuten mit verschiedenen Ursachen: zu harte Reitweise, nicht passendes Equipment, zu harter Reiter oder andere gesundheitliche Probleme. Bei sehr ängstlichen Pferden sieht man oft weit aufgerissene Augen, manchmal ist auch das Weiße der Sklera leicht zu sehen. Diese Pferde sind panisch und stehen unter Anspannung. Bei einigen Pferden ist das Weiß im Auge aber genetisch bedingt. Dies kommt oft beispielsweise bei Schecken und Pferden mit großen Abzeichen vor.

Warum haben Pferde meist dunkle Augen und keine Farben wie wir Menschen?
Das ist genetisch bedingt. Bei einigen Rassen gibt es häufig blaue Augen. Haben Pferde Aufhellungsgene wie Falben, kann sich das auch in der Augenfarbe zeigen. Nicht immer, aber es kann vorkommen. Wie dunkel oder hell die Augen eines Pferdes werden, hängt davon ab, wie viele Pigmente eingelagert sind. Blaue Augen haben weniger Farbpigmente. Wenn die Iris keine Farbpigmente bildet, kommt es zu roten Augen, das heißt, der Augapfel ist farblos und das Blut schimmert leicht durch. Bei Pferden mit Champagne-Gen wechseln sogar die Augenfarben, zum Beispiel haben sie bei der Geburt blaue Augen, wechseln dann auf Grün und je nach Fell später auch auf Graubraun.

Welche Augenkrankheiten sind die häufigsten?
Tiefe Kuhlen über den Augen deuten beispielsweise auf eine plötzliche Gewichtsabnahme hin; rosa Schleimhäute dagegen auf einen guten Gesundheitszustand, während dunkelrot verfärbte eine lokale oder systemische Erkrankung anzeigen. Dies sollte vom Tierarzt abgeklärt werden. Die häufigste Augenkrankheit beim Pferd ist die periodische Augenentzündung „Equine rezidivierende Uveitis“ (ERU). Hier handelt es sich um eine Augenentzündung, die in unregelmäßigen Abständen immer wieder auftreten kann. Der Grund dafür ist nicht sicher geklärt, es kann sich um Infektionserreger, Futter, Haltungsbedinungen oder Wettereinflüsse handeln. Am wahrscheinlichsten ist eine immunassoziierte Erkrankung, die sich durch eine Überempfindlichkeitsreaktion des Auges zeigt und immer wieder auftritt. Eine diskutierte Möglichkeit ist, dass die Leptospira-Bakterien Verursacher sind. Der Übertragungsweg könnte der Urin von Ratten und Mäusen sein. Bei einigen Pferden kann dann der Erreger nicht nur in die Blutbahn, sondern auch in die Augen gelangen, wo es dann zu einer Reaktion kommt. Diese Augenerkrankung beim Pferd ist sehr gefährlich, da es zu schwersten Schädigungen des Auges kommen kann, wie auch zur Ablösung der Netzhaut und die komplette Erblindung, je nachdem, wo sich die Schädigung im Auge befindet. Dabei kommt es zum Teil zu höchst schmerzhaften Entzündungen, befindet sich die Entzündung im vorderen Teil; oder zu wenigen Symptomen mit aber genauso schädigenden Entzündungen (hinterer Teil). ERU ist nicht heilbar, allerdings muss die Krankheit immer vom Tierarzt behandelt werden, um Schädigungen zu vermeiden. Es gibt aber auch andere Augenerkrankungen wie die Bindehautentzündung oder eine Hornhautverletzung. Auch hier ist immer eine tierärztliche Untersuchung zur Abklärung erforderlich. Gerade bei warmem Wetter kann es auch zu leichten Augenentzündungen durch Fliegenbefall kommen. Es gibt auch die Möglichkeit eines Unfalls, bei dem das Auge geschädigt werden kann oder der Tränen-Nasen-Kanal verstopft wird. Wichtig sind immer der Glanz und die Aufmerksamkeit im Auge des Pferdes. Das zeigt, dass es dem Pferd meist gut geht!

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