Auch wenn wir bei Ecken meistens eher an rechte Winkel denken, ist es doch beim Reiten eine gebogene Hufschlagfigur: Das Pferd muss – zuvor zwar geradegerichtet, aber mit leichter Innenstellung – in der Ecke die Stellung verstärken und so seine Wirbelsäule biegen
Text: Jessica Classen; Fotos: Daniel Elke

An der Spanischen Hofreitschule in Wien pflegte man zu sagen: „Wer Ecken reiten kann, kann alles reiten. Wer keine Ecken reiten kann, kann nichts reiten.“ Und trotzdem ist sie einerseits zwar die wichtigste, andererseits aber auch die am meisten vernachlässigte Hufschlagfigur. Die Ecke bildet einen wichtigen Meilenstein in der Grundausbildung des Pferdes: Achten Sie von Anfang an darauf, dass Ihr Pferd die Ecken richtig mitnimmt und nicht frühzeitig abbiegt. Aus den Ecken heraus lassen sich nämlich weitere Hufschlagfiguren und Übungen erarbeiten, die für das spätere Training wichtig sind. Zudem sollen sowohl Sie als auch Ihr Pferd den Unterschied zwischen einer Zirkellinie und einem kleinen Viereck erkennen.

Sauber durch die Ecke

Um eine Ecke korrekt zu reiten, müssen Sie als Reiter obendrauf das Gefühl haben, dass das innere Hinterbein Ihrem inneren Schenkel weicht. Und dass Ihr Pferd in den Ganaschen dem inneren Zügel nachgibt, an die äußeren Hilfen herangeht und sich von Ihnen wenden lässt. Eine Ecke sauber zu reiten ist für die Gymnastizierung des Pferdes gut, weil die seitliche Biegung der Wirbelsäule und die Beanspruchung der Hinterhand gleichzeitig gegeben sind. Diese Hufschlagfigur fördert neben der Gymnastizierung auch die Losgelassenheit des Pferdes sowie das Reiten in Anlehnung. Außerdem lernt Ihr Pferd, auf die diagonale Hilfengebung zu reagieren. Der Reiter lernt beim richtigen Reiten der Ecken seine Schenkel-, Gewichts- und Zügelhilfen richtig anzuwenden. Durch diese Hufschlagfigur wird eine fehlerhafte Durchlässigkeit sichtbar und ein ausbalancierter Sitz wird verbessert. Das Ausreiten von Ecken lässt sich wunderbar zur Vorbereitung auf andere Übungen im Viereck nutzen: Sie erfordert beispielsweise denselben Grad der Seitenbiegung wie auch die verschiedenen Seitengänge und Volten. Deshalb bildet diese Hufschlagfigur auch die Vorstufe zu diesen. Der Übergang dazu lässt sich – bei korrekt gerittener Ecke – fast schon spielend einleiten. Um die Hufschlagfigur „Aus der Ecke kehrt“ zu reiten, biegen Sie nach Durchreiten der Ecke ab, als würden Sie in ihr eine Volte reiten wollen. Allerdings reiten Sie nicht in derselben Richtung weiter, sondern wechseln die Hand und kommen bestenfalls mit Ihrem Knie am Zirkelpunkt wieder an. Diese Hufschlagfigur stellt eine Zusammensetzung aus einer halben Volte und dem Geradeausreiten dar. Nachdem Sie etwa von linker Hand kommend aus der Ecke heraus bei K eine halbe Volte geritten sind, stellen Sie Ihr Pferd aus der Linksstellung gerade. Verlagern Sie Ihr Gewicht, nehmen den neuen äußeren Schenkel eine Handbreit zurück und stellen Ihr Pferd ab dem Ankommen auf dem Hufschlag am Zirkelpunkt um in eine Rechtsstellung (siehe Grafik). Diese Hufschlagfigur können Sie auch, zur Abwechslung des Trainings, in umgekehrter Folge reiten: als „In die Ecke kehrt“. Hierbei biegen Sie – wieder von linker Hand kommend – beim Zirkelpunkt zwischen E und K ab und reiten in Richtung A. Reiten Sie auf Höhe von K auf der rechten Hand weiter und ab dort eine halbe Volte durch die Ecke und auf dem Hufschlag weiter (siehe Grafik). Die Bahnfiguren „Aus oder in die Ecke kehrt“ reitet man immer von der langen Seite ausgehend, nie von der kurzen.

Die häufigsten Fehler vermeiden

Die meisten Fehler passieren, weil die Ecken nicht richtig ausgeritten werden: Entweder sind die Schenkel nicht am Pferd, sodass es gar nicht erst auf die Idee kommt, es müsse die Ecke mitnehmen; oder meistens provozieren wir Reiter es selbst, dass unser Pferd die Ecke abkürzt und aus dem Rechteck „Reithalle“ ein Oval wird: Ganz einfach, weil wir gedanklich zu früh abgebogen sind und die Ecken außer Acht gelassen haben. Versuchen Sie es daher einmal mit inneren Bildern: Stellen Sie sich anfangs vor jeder Ecke vor, dass Sie geradeaus weiter reiten möchten, um hinter die Bande oder den Zaun zu gelangen. Oft hilft schon dieser Gedanke, tiefer in die Ecken zu kommen und sie so vollständig auszureiten. Um eine korrekte Ecke zu reiten, können Sie sich zu Beginn auch gerne Hilfsmittel hinzuholen: Pylonen oder Tonnen können als Markierung dienen. Reiten Sie außen um diese herum. So vermeiden Sie ebenfalls, dass die Ecke oval wird. Stellen Sie die Hilfsmittel am besten sogar erst dann auf, wenn der Hufschlag gerade frisch gezogen worden ist, damit Sie im Sand sehen, wie Sie die Ecken geritten haben. Denn die meisten Dressurvierecke weisen im Sand kleine Ovale auf, weil viele Reiter nicht zwischen einer Zirkellinie und einer korrekten Ecke unterscheiden und diese dann abrunden.

 

… jeden Freitag finden Sie hier die Hufschlagfiguren. Grafiken und die gesamte Serie finden Sie in unseren Magazinen Mein Pferd 07/2016 bis 12/2016!