Vor 35 Jahren verschlug es Ulrike Freess in die Provence nach Frankreich, wo sie nicht nur ihre große Liebe heiratete, sondern sich gleichzeitig einen Kindheitstraum mit einer eigenen Reitanlage erfüllte
Text und Fotos: Ulrike Freess

Im Jahr 1981 kam ich zum ersten Mal in die Provence. Und mittlerweile lebe ich bereits seit 35 Jahren hier in Südfrankreich auf unserem Reiterhof „Le Trèfle à 5 Feuilles“, übersetzt: „Das fünfblättrige Kleeblatt“. Wenn das mal kein Glück bringt. Wie so viele andere wollte auch ich nach dem Abitur eine Weile ins Ausland und entschied mich für ein Praktikum auf einem Reiterhof in der Provence, um meine Begeisterung für die französische Sprache mit meiner Leidenschaft für Pferde zu verbinden. Ich stamme ursprünglich aus Schleswig-Holstein, wo ich gemeinsam mit meiner Schwester seit unserem zwölften Lebensjahr unsere eigenen Pferde hinter dem Haus betreute. Die Arbeit rund ums Pferd kannte ich also gut, aber die Landschaft, das Klima, die Reitweise und die Mentalität der Leute waren eine ganz neue und spannende Erfahrung für mich. Aus dem flachen, grünen Norddeutschland kam ich mitten im Sommer in die flimmernde, mit dem Summen der Zikaden erfüllte Hitze und den Lavendelduft des Vaucluse, 60 Kilometersüdöstlich von Avignon: ein malerisches, magisches Tal zwischen den ruhig und lang hingestreckten Gebirgszügen des Luberon und dem Plateau de Vaucluse.

Edmond Freess, der Ausrittführer, begrüßte mich mit weit ausgestreckten Armen und einem „bise“ links und rechts (die übliche Begrüßungsform unter Freunden in Frankreich) so herzlich, dass ich gleich seinem Charme erlag. War es sein geistreicher Humor (er war eigentlich Schauspieler, Filmregisseur und Maler und machte den Rittführer nur für eine Saison) oder seine einmaligen Kochkünste? Wie viel haben die abenteuerlichen Ritte durch diese wunderschöne Landschaft dazu beigetragen? Nach vier Monaten waren wir ein Paar und auch, wenn ich noch brav meinen ursprünglichen Plänen folgte und nach Deutschland zurückkehrte, um ein Germanistikstudium auf Lehramt anzufangen, blieb mein Herz in der Provence zurück. Nach einem weiteren Jahr, mittlerweile war es 1982, zog ich definitiv in die Provence, und Edmond und ich gründeten „Le Trèfle à 5 Feuilles“, unseren eigenen Reiterhof in Roussillon, benannt nach dem gleichnamigen Film meines Mannes. Ganz mit den Ockerfarben der Umgebung verputzt, ist der Hof schon über 350 Jahre alt. Wir hatten viele Jahre zu renovieren, vier Gästezimmer entstanden, ein Pool kam hinzu. Pensionsgäste aus der ganzen Welt trudelten ein; die langen französischen Mahlzeiten an der Familientafel mit endlosen Gesprächen bis tief in die Sommernacht begeisterten alle. Am Anfang boten wir nur Ausritte an, bald entdeckte ich aber die iberischen Pferde und erlernte die altfranzösche klassische Reitkunst der Leichtigkeit, fand ein klappriges Pferd bei einem Pferdehändler, das ich bis zur hohen Schule ausbildete: Django. Keine hohe Abstammung, aber ein großes Herz. Neben der Dressurreiterei habe ich mir immer meine Liebe für das Reiten in der Natur erhalten und Django war nicht nur ein Tänzer an leichter Hand, sondern bis zu seinem 28. Lebensjahr auch ein treuer Ausrittpartner. Aus meinem Jugendplan, einmal Lehrerin zu werden, ist jetzt eine Reitlehrerin geworden; ich versuche, sowohl Anfängern als auch Fortgeschrittenen mein Pferdeverständnis und die Pferdeliebe weiterzuvermitteln, die zu feinem Reiten mit leichten Hilfen führt. Mein Mann Edmond ist im Frühling verstorben, und dadurch ist es mir jetzt ganz bewusst geworden, dass die Provence und Roussillon nun meine Heimat sind und ich unser Lebenswerk fortsetzen werde. Nach so einem intensiven Zusammenleben mit einem Franzosen kann auch ich den Kochlöffel französisch schwingen, schon allein, weil ich auch solch ein Gourmet bin. Durch all seine nachdenklichen, witzigen Filme und seine impressionistischen Bilder von Provence-Landschaften an unseren Wänden, schwebt Edmonds Künstlerflair weiterhin über unserem Hof, und die langjährigen, immer wiederkehrenden Gäste merken es: Seine Poesie bleibt erhalten, und die der Provence nimmt einen gefangen.


Provence, Frankreich auf einem Blick:
Der Reiterhof liegt 60 Kilometer südöstlich von Avignon. Wenn man nicht auf dem Pferd sitzt, gibt es viele andere Möglichkeiten, seinen Urlaub in der Provence zu gestalten: Man kann auf vielen Rad- oder Wandertouren unterwegs sein, den provenzalischen Markt besuchen oder auf den Spuren der Römer nach Arles, Nîmes oder Orange fahren. Avignon, mit seinem Papstpalast, ist nur 40 Autominuten entfernt, die Zisterzienserklöster Sénanque und Silvacane sind dagegen ganz nahe. Knapp anderthalb Stunden fährt man zu den Quellen des Flusses Sorge nach Fontaine-de-Vaucluse, in die Camargue oder zum Meer.

www.luberon-equitation.com